Mittwoch, 9. September 2015

#RefugeesWelcome

#RefugeesWelcome

Grüße!

Von mir heute einmal ein Beitrag zur Flüchtlingsdebatte, denn auch das ist eine Geschichte, die erzählt werden sollte. Viele Geschichten, einerseits. Mehr als Geschichten - Schicksale - andererseits.
Vorab: Das hier ist kein Meinungsbeitrag und ich hoffe, dass ich nicht einfach etwas erzähle, mit dem entweder die eine Seite oder die andere Seite sympathisieren könnte, denn beide Seiten neigen dazu nur die Stimmen zu hören, die sie hören wollen. Ich werde nicht versuchen euch zu überzeugen eine Meinung zu teilen oder euch irgendeinem Lager anzuschließen. Viel wichtiger ist es, sich klarzusmachen, woher Meinungen kommen.
Da wäre auf der einen Seite das Pack, dass tatsächlich meint Flüchtlinge würden sein Lebensstandart bedrohen. Die Nazis, Rechtsextremisten, Besorgte Bürger nennt es wie ihr wollt - das ist alles Quark. Nazis benutzen die Angst von nicht informierten Menschen für eines - Macht. Mehr interessiert sie nicht. Das Problem ist nun, dass Leute sich von Angst anstecken lassen. Jeder tut das. Angst kontrolliert uns. Zeitungen können das auch sehr gut. Seuchen, Mörder, Steuergesetze, Zusätze in Lebensmitteln - Irgendetwas rafft uns mit Sicherheit dahin und solange wir nachgrübeln, was es ist sind wir abgelenkt. Viele Menschen springen da auf jeden Zug auf und genau hier liegt das Problem:
Wer immer Angst vor Flüchtlingen hat, besorgter Bürger ist oder sonst etwas, sollte sich einfach mal Fragen, warum er so fühlt. Hat euch ein Flüchtling letzte Nacht mit einem Messer bedroht? Hat tatsächlich mal ein Muslim in euer Kirche muslimische Lieder gesungen? Nein, ihr hört bloß, dass es irgendwo so war, oder eventuell so sein könnte und schon seid ihr infiziert. Schon lässt man sich hinreißen zu Äußerungen die anfangen mit "Ich bin ja kein Nazi, aber..."
Ich schwöre euch: Falls jemals ein Muslim bei euch in der Kirche sitzt und die Beiwohnenden fragt ob sie mit ihm nicht ein islamisches Lied singen möchten, macht ihr mit. Keine Ausländer, keine Terroristen, nur Menschen. Oder verspürt ihr Angst, wenn ihr durch die Fußgängerzone lauft und an der Pommesbude vor euch ein Türke oder Syrer oder wer-auch-immer steht? Nein ihr fürchtet eine vermeintliche Omnipräsenz, die so nicht existiert.

"Aber was ist mit der achtköpfigen Familie aus Niederkassel?"

Eine erstmal berechtigte Frage. Der Express berichtet über Familie H., die von der Stadt Niederkassel aus ihrem Haus geworfen wird, damit Flüchtlinge darin unterkommen können. Schockierend! Nicht wahr? Hm, gucken wir doch mal. Eigentümer des Hauses ist die Stadt Niederkassel, diese meldet Eigenbedarf an, um in besagten Haus Flüchtlinge unterzubringen. Familie H. muss ausziehen.
Das Haus in dem Familie H. seit drei Jahren wohnt ist in den 1990er Jahren als Flüchtlingsheim errichtet worden und wurde als Mietwohnung zur Verfügung gestellt, nachdem die damalige Flüchtlingsnot bis auf Weiteres abgeklungen war. Nun besteht offensichtlich wieder akute Not und die Stadt möchte ihr altes Flüchtlingsheim reaktivieren. Und das darf sie. Ohne wenn und aber.
Folgendes Gedankenexperiment:
Ihr wohnt in einer 80m² Wohnung in Stettin. Euer Vermieter wohnt zwei Straßen weiter, man sieht sich, man kennt sich, es besteht aber keine große Freundschaft zwischen euch. Ihr kommt klar.
Der Bruder des Vermieters lebt in München, verliert seinen Job als Logistikermeister eines mittelständischen Unternehmens, weil die Firma Pleite geht und kann seine Wohnung nicht bezahlen. Sein Bruder (Euer Vermieter) bietet ihm die einzige Option an, die er hat, da er selbt Frau und Kinder hat und eine Bleibe in seiner Wohnung keine dauerhafte Lösung bietet. Er bietet seinem Bruder an in Eure Wohnung zu ziehen und meldet Eigenbedarf an. Ihr fliegt aus der Wohnung, könnt zetern wie ihr wollt und rechtlich hat der Vermieter immer Recht. Ob das rechtlich sinnig ist, ist eine andere Frage, aber (Achtung: Angst!) das ist etwas, dass prinzipiell jedem Mieter in Deutschland passieren kann.

"Aber das sind nur Flüchtlinge!"

Keine Flüchtlinge. Nur Menschen.

"Aber die haben alle Smartphones und kommen umsonst in den Zoo!"

Wenn tatsächlich jemand behaupten will, dass man den Flüchtlingen bei ihrer Ankunft auch noch ihre letzte Habe abziehen sollte, dann legst er genau das Verhalten an den Tag, vor dem er sich fürchtet, dass die Flüchtlinge es zeigen. Nach einer irren Odyssee kommen die hier an, sind froh, dass keine Miliz ihre Frauen vergewaltigen und Kinder rekrutieren will, dass dein Nachbar dich nicht für ne Dose Trockenpflaumen niederknüppelt und jetzt will mir jemand erzählen Smartphones sind nicht ok? Hackts? Und wenn irgendeine Stimme laut wird, die Regierung würde denen Smartphones kaufen, dann werft mal bitte einen Blick in den Haushalt der Bundesregierung! DIE SIND FROH UM JEDEN SCHEIß CENT, DEN SIE NICHT VIER MAL UMDREHEN MÜSSEN!
Und dann die Sache mit dem Zoo, ja... Mal sehen.
Was interessiert euch Zoo? Ob die nun umsonst in den Zoo kommen oder in China platzt ne Kochwurst. Wann seid ihr überhaupt zuletzt im Zoo gewesen?
Das ist wie oben schon erwähnt wieder nur ein Grund von Hetzern, um Macht auszuüben. Um mit dem Finger auf etwas zeigen zu können und Anhänger zu sammeln. Diese Leute interessieren sich nicht für den Zoo und warum er günstig ist oder nicht. Sondern um Macht.
Wer anfechten möchte, dass es eine gute Tat ist Flüchtlinge wilkommen zu heißen und Krieg und Verfolgung vergessen machen zu wollen, stellt sich gegen mindestens 500 Jahre gesellschaftlichen Fortschritts!

"Aber wieso macht Deutschland so viel für die Ausländer und so wenig für mich?"

Wann hast du das letzte Mal nichts zu essen gehabt? So wirklich garnichts? Wahren Hunger verspürt? Wann hat dich das letzte Mal jemand auf der Straße überfallen? Wann wurde jemand aus deinem sozialen Umfeld zuletzt entführt oder wahllos vergewaltigt? Wann hat sich ein Drogenkartell das letzte Mal in diner Nähe eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert? Wann ist das letzte Mal eine Seuche unkontrolliert geblieben und hat deine Verwandtschaft dahingerafft? Wann bist du das letzte Mal auf eine Tellermine getreten? Wann musstest du zuletzt sechs Stunden zur Schule laufen und dann eine Ziege als Schulgeld zahlen? Wann hat dein Lehrer dich das letzte Mal mit einem Rohrstock verprügelt? Wann hat dir das letzte Mal ein Arzt gesagt, dass er dich nicht behandeln kann, weil seine Kapazitäten begrenzt sind und dich an einen Arzt verwiesen, der 200 Kilometer weit weg ist? Wann sind auf dem Rathausplatz deiner Heimatstadt zuletzt Panzer aufgefahren? Wann hast du dein Leitungswasser zuletzt abgekocht? Dich im Fluss gewaschen? Wann hast du zuletzt um eine Missernte getrauert? Sitzt dein Sklavenhalsband zu eng? Welches war das letzte Flugzeug, dass mit dir entführt wurde? Oder die letzte Stadt, die keinen Fußballplatz für deine Kinder hatte? Wann hat dein Land zuletzt Geld dafür verlangt, dass du seine Autobahnen benutzen darfst? Wann hat dein Land dich verfolgt, weil du anders aussiehst, denkst oder eine andere politische Meinung als die der Regierung hast? Wann hat ein Richter dich zuletzt willkürlich ins Gefängnis gesteckt, wann hat die Polizei dich zuletzt willkürlich ins Gefängnis gesteckt? Wann hat ein Richter einen überführten Mörder zuletzt freigelassen?

Jeder Mensch sollte mündig genug sein zu erkennen, dass ein Akt der Nächstenliebe niemals von Vornherein als schlecht verurteilt werden darf. Ich denke, dass jeder machen soll, was er für richtig hält, solange er niemand anderem damit schadet. Und ich versichere euch: Kein Flüchtling, den ihr nicht aktiv dazu gebracht hat, wird euch jemals schaden.

Ausblick

Wo das nun geklärt ist folgt nun ein übergeordneter Blick auf das Problem, dass uns die obige Debatte überhaupt führen lässt. Krieg. Wie groß müssen die Missstände in einem Land werden, damit eine Familie sich entschließt das Land zu verlassen. Ohne Mittel ins Ungewisse zu ziehen. Ich will hier gar nicht alles wieder aufrollen, von politischer Lage und Religion, Krisen, Krieg, Krawalle. Ja, es läuft vieles scheiße. Und solange sich die Dinge nicht richten lassen bin ich froh über jeden Menschen, dem geholfen wird.

Was aber tun, um Missstände dauerhaft zu beseitigen?

Ich bin nun kein Politikwissenschaftler oder Globalstratege oder sonst irgendetwas, dass mich vor der Fachwelt befähigen würde, eine anerkannte Meinung zu äußern, aber wenn ich das wäre, würde ich diesen Blog hier wohl auch nicht führen. Wie dem auch sei. Ich glaube an Bildung.
Bildung ist unsere Chance langfristigen Wohlstand und Frieden in diesem Land, jedem anderen Land und auf dem ganzen Planeten zu sichern, damit Fragen, wie die, die oben in den Überschriften stehen nicht mehr gestellt werden. Jeder Mensch sollte die Chance bekommen sich dahin entwickeln zu können, eine differenzierte Meinung über Themen zu bilden. Und zwar so, dass man nicht abhängt von Boulevard-Zeitungen und Internet-Kommentaren.
Schaut man sich die jüngere Geschichte an dann ist sie wohl in fast jedem Bereich eine Geschichte der Kurzfristigkeit. Aufmerksamkeitsspannen werden kürzer, Tweets lösen Erörterungen ab, Filmschnitte werden schneller aneinandergereiht, das Buch weicht dem Fernsehen, das Fernsehen dem Internet, ich führe nicht ein Gespräch, sondern zehn, ich habe keine Zeit, denn ich habe zu viel Zeit. Auch politische Lösungen sind mir vor allem durch Kurzsicht in Erinnerung geblieben und betrüben mich vor allem dadurch, dass die nächste Wahl immer wichtiger erscheint als die Lösung.
Parteien verhalten sich wie Fußballvereine und wetteifern gegeneinander, anstatt an einem Strang zu ziehen. Eigentlich wird man den Fußballvereinen dadurch nicht gerecht, pardon an jeden Verein!
So läuft für mich letztlich wieder alles auf die Bildung hinaus, denn Bildung beseitigt nicht nur Vorurteile, sondern bricht auch die ignorante Vorstellung der heutigen Zeit, die eigene Meinung sei die einzig richtige. Die Kunst, die es zu meistern gilt ist jene, sich in andere Köpfe hineinzudenken und die eigene Meinung jederzeit wenn nicht zu ändern, dann zumindest hinterfragen zu können, denn das ist etwas, dass zur heutigen Zeit definitiv abhanden gekommen ist.
Und so schließe ich diesen Beitrag als ein Loblied auf die Bildung, von der ich hoffe, dass ihre Wichtigkeit in Zukunft eine Renaissance erfährt! Ich habe zuletzt von einem Flüchtling gehört, der sagte er sei Englischlehrer, wenn er dem also auch hier nachgehen möchte, dann bitte ich ihn hiermit inständig darum. In diesem Sinne
#RefugeesWelcome




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